Verkürzung der Restschuldbefreiung in Deutschland auf 3 Jahre

Die Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 sieht vor, dass insolvente selbständige Unternehmer/innen Zugang zu mindestens einem Verfahren haben müssen, welches eine volle Entschuldung nach spätestens drei Jahren ermöglicht. Die Umsetzung für alle Mitgliedsstaaten und somit auch für die Bundesrepublik Deutschland hat gemäß der Richtlinie bis zum 17.06.2021 zu erfolgen.

Damit vereinfacht die EU erneut Verfahren für Schuldner innerhalb der Europäischen Union um schneller am Wirtschaftsleben wieder teilnehmen zu können.

Bisher konnten Schuldner ein Insolvenzverfahren in Deutschland in 3 – 6 Jahren absolvieren. Doch die Möglichkeit tatsächlich eine Insolvenz in 3 Jahren zu durchlaufen war für viele Deutsche nicht realisierbar. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass nur 4,3% von der Möglichkeit der Reduzierung auf 3 Jahre profitierten.

Die EU Verordnung soll dies nun ändern. Am 30.07.2020 kündigte das Bundesamt für Justiz einen Gesetzesentwurf zur weiteren Verkürzung der Restschuldbefreiung auf 3 Jahre an. Die Gesetzesänderung welche bereits die stufenweise Herabsetzung der Wohlverhaltensphase vorsieht soll erneut auf 3 Jahre geändert werden.

Das neue Gesetz ist rückwirkend zum 01.10.2020 in Kraft getreten.

Kritik an dem Gesetz ist berechtigt, denn die augenscheinliche Verkürzung bringt eine Reihe von Verpflichtungen und dadurch Einschränkungen für den Schuldner mit sich welche zur Folge haben, dass Schuldner zukünftig nur unter sehr erschwerten Bedingungen die Restschuldbefreiung erhalten. Was zur Folge hat, dass Schuldner ihre Forderungen nicht los werden.

 

Doch was ändert sich genau?

Selbstständige und Unternehmer:

Am Ende der wirtschaftlichen Sorgen stehe für viele Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler nicht erst seit Corona die Insolvenz. Doch im Regierungsentwurf gibt es keine Vorschriften, die speziell auf den Neustart von Selbständigen und Freiberuflern abzielten. So bleibt der Gesetzesentwurf deutlich hinter der Erwartung, dass es Einzelhändlern, Selbstständigen, Freiberuflern und Unternehmern leichter gemacht wird während einer Deutschen Insolvenz oder danach gesichert geschäftlich Selbständig oder als Unternehmer aktiv zu sein.

In anderen Ländern nicht existent oder seit Jahren bereits abgeschafft, so z. B bei einer Insolvenz in Lettland oder Irland, sieht der neue Gesetzesentwurf vor, dass Tätigkeitsverbote, die allein aufgrund der Insolvenz ergangen sind, mit Erteilung der Restschuldbefreiung aufgehoben werden.

 

Deutlich leichtere Versagung der Restschuldbefreiung durch Verschärfung der Versagungsgründe.

Existierte bisher ein weit verbreiteter Irrtum dahingehend, dass „Wohlverhaltensperiode“ bedeutet, dass der Schuldner nach Einleitung des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung keine neuen Schulden machen dürfe, ändert der Gesetzgeber nunmehr die Rechtslage.

Es wird eine Obliegenheit eingeführt, keine unangemessenen (neuen) Verbindlichkeiten während der Wohlverhaltensperiode zu begründen. Der Begriff der unangemessenen Verbindlichkeit soll dabei wie in § 290 INSO § 290 Absatz I Nr. INSO § 290 Absatz 1 Nummer 4 InsO auszulegen sein.

Für diesen Versagungsgrund, der auf die Begründung von „unangemessenen Verbindlichkeiten“ vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzielt, werden Verbindlichkeiten dann als unangemessen angesehen, wenn die Begründung nach dem individuellen Lebensstil des Schuldners der wirtschaftlichen Vernunft widerspricht.

Schwierig an dieser Begrifflichkeit ist allerdings, dass schon die Begründung der Verbindlichkeiten nach dem Wortlaut ausreichend ist. Sofern der Schuldner sie dennoch bezahlt, könnte durchaus trotzdem der Versagungsgrund vorliegen. Ob das der Gesetzgeber gewollt hat, mag zu bezweifeln sein.

Einerseits schließt die einfach fahrlässige Begründung unangemessener Verbindlichkeiten die Versagung aus (vgl. § 296 I 1 Hs. 3 InsO-RegE) zum anderen, kann nunmehr das Insolvenzgericht bei Verletzung dieser Obliegenheit von Amts wegen die Versagung aussprechen.

Wann dieser Fall in der Praxis eintreten soll, ist nicht ersichtlich. Es ist zu befürchten, dass die Neureglung bereits auf laufende Insolvenzverfahren Anwendung finden könnte, was zur Folge hat, dass eine Vielzahl an Restschuldbefreiungen nicht erteilt wird.

Der Gesetzgeber spricht den Fall in der Gesetzesbegründung an, dass der Schuldner durch die Begründung der Verbindlichkeit neues Vermögen erlangt, so dass dann die Neugläubiger mit den Insolvenzgläubigern konkurrieren.

Wie man sich diesen Vorgang vorstellen muss, ist nicht klar. Selbst wenn der Schuldner „neues Vermögen“ erlangt, schuldet er in der Wohlverhaltensperiode nur die Abführung der pfändbaren Lohn- und Gehaltsanteile.

Hier kann es keine „Konkurrenz“ mit den Neugläubigern geben. Da der Schuldner diese längst an den Treuhänder abgetreten hat, können auch etwaige Pfändungen der Neugläubiger zu keinem Verlust von Pfändungsvermögen führen (bzw. lediglich den Rang für die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung wahren).

Da die Beeinträchtigung eingetreten sein muss, allein die Gefährdung der Befriedigungsaussichten genügt nicht, um einem Versagungsantrag zum Erfolg zu verhelfen, ist ein relevanter Sachverhalt kaum denkbar.

Die Herausgabeobliegenheit für die hälftige Erbschaft (und nunmehr auch Wettgewinne bzw. Schenkungen) mag durch solche Pfändungen gefährdet sein, die Restschuldbefreiung kann dann aber bereits wegen der Nichtabführung versagt werden.

 

Erneute Insolvenz wird mit einer Verfahrenszeit von 5 Jahren bestraft und ist erst nach 11 Jahren möglich.

Die dreijährige Restschuldbefreiung gilt aber nur für den „ersten Anlauf“ der Restschuldbefreiung. Gerät der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung (im Dreijahresverfahren) erneut in Zahlungsschwierigkeiten, so wird er beim zweiten mal mit einer fünfjährigen Verfahrenszeit ohne die Möglichkeit diese zu verkürzen abgestraft. Ob diese Regelung den Richtlinienvorgaben standhält, ist zu bezweifeln. Nach Art. 23 II d EU-RL 2019/2013 können längere Fristen nur innerhalb „eines bestimmten Zeitraums nachdem dem insolventen Unternehmer volle Entschuldung gewährt“ worden ist, angeordnet werden. Eine dauerhafte Erweiterung auf fünf Jahre ist von diesem Richtlinienvorschlag wohl nicht gedeckt. Im Zweifel wird der Schuldner erhebliche Kosten für die Wahrung seiner Rechte in die Hand nehmen müssen um nicht in die Fünfjahresfalle des neuen Gesetzentwurfes zu fallen.

Um jedoch eine zweite Restschuldbefreiung zu erhalten bzw. das Insolvenzverfahren ein zweites mal zu durchlaufen, ist eine Sperrfrist von 11 Jahren abzuwarten. Im Klartext bedeutet dies, dass der Schuldner beim zweiten Anlauf 16 Jahre in Geldsorgen und somit einem erheblichen psychischem Stress aussetzt ist, bevor er wieder ein normales sorgenfreies Leben führen kann.

 

Alles für den Gläubiger. Der Schuldner wird durch eine erhebliche Erweiterung der Herausgabepflicht von Wettspielgewinnen und Schenkungen verpflichtet.

Musste nach bisherigem Recht in dieser Verfahrensphase nur die Hälfte eines Erwerbs von Todes wegen (Erbe) herausgegeben werden, nicht aber sonstige Vermögenszuflüsse, so ist das nach neuer Rechtslage anders.

In § 295 I Nr. 2 InsO-RegE soll eine Regelung aufgenommen werden, nach der nunmehr auch Gewinne aus staatlich erlaubten Lotterien, Wetten und „andere Spielmöglichkeiten mit Gewinnabsicht“ zur Hälfte herausgegeben werden müssen. Zusätzlich gilt die Herausgabeobliegenheit nunmehr auch für Schenkungen.

Im Klartext bedeutet dies, dass die Großmutter die Ihrem Enkel während der Wohlverhaltensperiode 1000,- EUR schenkt für die Anschaffung eines Kinderbetts weil die Familie Nachwuchs erwartet, ist diese Schenkung gegenüber dem Insolvenzverwalter anzuzeigen und abzugeben. Unterlässt der Schuldner dies, kann ihm die Restschuldbefreiung nach den erweiterten Versagungsgründen für die Restschuldbefreiung noch einfacher verweigert bzw. versagt werden. Die Restschuldbefreiung würde wegen der Anschaffung eines Kinderbetts welches nicht anzeigt werden scheitern.

 

Schufa und Co. – Auskunftsdateien wird das Recht erteilt, die Insolvenz 3 Jahre lang als Negativmerkmal einzutragen.

Absolut unverständlich ist, dass das Gesetz vorsieht, dass nacht erfolgreichem Abschluss und somit Erteilung der Restschuldbefreiung Auskunfteien wie die Schufa oder Creditreform die erfolgreich durchlaufene Insolvenz als Negativmerkmal 3 weitere Jahre speichern dürfen. Mit einem solchen Eintrag ist die ungehinderte Teilnahme am Wirtschaftsleben nicht gegeben. Ob eine entsprechende Regelung vor dem Hintergrund der europäischen Richtlinie Bestand haben wird ist zu bezweifeln.

 

Fazit

Mit der Gesetzesänderung geht das Insolvenzrecht die richtige Richtung, wird allerdings durch die erhebliche Verschärfung zum russischen Roulett. Kleinste Fehler führen zur Versagung der Restschuldbefreiung. Gerade die Verschärfung der Versagungsgründe wirken willkürlich und stehen einer planbaren Insolvenz entgegen.

Alternativen gibt es im europäischen Ausland. So bietet die Insolvenz in Irland oder eine Insolvenz in Lettland deutlich weniger Gefahr und Risiken bei der Durchführung einer Insolvenz.

Gerade für Selbständige und Unternehmer empfiehlt es sich eine Insolvenz im EU-Ausland durchzuführen. Hier wird mehr Rechtssicherheit und eine gewisse Freiheit erreicht, die das Deutsche Insolvenzverfahren auch mit der Gesetzesänderung nicht leisten kann.

Lettland bietet ein Verfahren zwischen 6 Monaten und 36 Monaten an, Spanien hat eine Verfahrensdauer von 12 – 16 Monaten und Irland hat eine garantierte Verfahrensdauer von 12 Monaten.

Insbesondere in Irland sind auch deliktische Forderungen von der Insolvenz umfasst und es gibt keine Sperrfrist sofern der Schuldner ein zweites Mal in die Schuldenfalle gerät.

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